In der Branche geistert seit dem Frankfurter Kongress zur Zukunft deutscher Film ein Papier herum: Die „Frankfurter Positionen zur Zukunft deutscher Film“. Ohne Kenntnis dieses Papiers erreichte mich und meinen Kollegen Dirk Heth eine Einladung zu den „Inselgesprächen Kino“ im Rahmen des 14. Festivals des deutschen Films. Gebeten um eine Stellungnahme zur Frage „Wie viel Förderung braucht der anspruchsvolle deutsche Film, verfasse ich ein Thesen-Papier.
- Worüber reden wir? Über das Kino oder über die filmische Geste (= das Filmemachen an sich)? Sprechen wir über den Anspruch der filmischen Geste im Kino seinen Präsentationsort zu finden? Oder sprechen wir über das Kino als eine ästhetische Ausdrucksform der filmischen Geste unter vielen?
- Unbestritten bleibt, dass die filmische Geste immer Ausdruck eines gestalterischen Autorenwillens ist. Das gilt auch für das Kino. Doch das Kino als filmische Geste ist singulär geworden. Es war der historische Geburtsort der filmischen Geste. Und ist bloß Durchgangsstation wie wir seit dem Fernsehen wissen.
- Wer die filmische Geste auf das Kino und seinen zahlenden Besucher reduziert, verfehlt die Beschreibung dessen was die filmische Geste ausmacht. Dies gilt ebenso für die Beschreibung eines „akzeptables Verhältnis zum finanziellen Aufwand der Herausbringung fürs Kino“. Dieser Anspruch gilt nur noch für singuläre Fälle. Nicht aber für die filmische Geste überhaupt.
- Das Kino als Gegenstand der öffentlich-institutionellen Förderung ist dieser unter der Hand abhanden gekommen. Der Gegenstand hat sich quasi historisch aufgelöst und existiert nur noch partiell und eben singulär. Denn die filmische Geste hat sich nunmehr, stärker als noch in der Gestalt des Fernsehens, fast vollständig vom Kino emanzipiert. Sie deshalb mit dem Maß des Kinos zu messen verfehlt ihre eigentliche Realität, ihre Potentiale, ihr „Sein“ und „Dasein“ und vor allem jene Menschen, die sie (innovativ) ausüben, entfalten und erforschen.
- Die öffentlich-institutionelle Förderung sollte ihren eigentlichen Gegenstand neu bestimmen. Sie muss sich nicht nur vom Fernsehen, sondern auch vom Kino „befreien“ – sowie erkennen und beschreiben, was die filmische Geste als ästhetische und kulturelle Form der Weltaneignung ausmacht. Die Institutionen sollten akzeptieren, dass die filmische Geste sich nicht nur ästhetisch sondern auch finanziell längst vom Kino als primären Ort der Rekapitalisierung von Produktionsaufwand entzogen und verabschiedet hat.
- Das Kino mag unter finanzieller Perspektive weiterhin (noch) die größten Ressourcen der öffentlich-institutionellen Förderung binden. Denn die anderen Formen der filmischen Geste müssen ihren eigenen Ressourcen-Bedarf erst legitimieren und erforschen wie auch ihre Präsentationsorte und spezifischen Zuschauer/„Quoten“.
- Kurz gesagt: Die öffentlich-institutionelle Förderung steht vor einem Transformationsprozess: sie sollte die filmische Geste und ihren historischen Ablösungsprozess vom Kino endlich in den Fokus kreativer Beobachtung und Unterstützung stellen.