Also weiter mit der Verdunklung der ‚ursächlichen Quelle’ des gesellschaftlichen Reichtums – der ‚lebendigen Arbeit’, welche wie gesagt zweigliedrig gedacht werden muss – als ‚notwendige Arbeit’ und als ‚Mehrarbeit’. Nachdem der ‚Profit’ diesen ursächlichen Zusammenhang unsichtbar macht – tritt uns mit der ‚Grundrente’ eine weitere Verdunklungsgestalt entgegen.
Sehr vereinfacht das Prinzip dargelegt: Im Eigentum von Grund und Boden erscheint das juristisch abgesicherte Monopol gewisser Personen über bestimmte Proportionen des Erdballs. In der Kapitalform nun macht der Boden eine gesellschaftliche Formverwandlung durch: Das Eigentum von Boden trennt sich vom Gebrauch des Bodens als Produktionsbedingung. Eigentümer und Funktionär des Bodens treten auseinander. Der Bodenpächter zahlt dem Bodeneigentümer eine terminlich fixierte Geldsumme – die ‚Grundrente’ – für die Nutzung des Bodens (z.B. als Ackerbau, Bauland, Bergwerk, Fischerei, Waldung).
Woher aber entnimmt der Bodenpächter diese Geldsumme, die er als Grundrente dem Bodeneigentümer zahlt? Zunächst: Indem er den Boden als Produktionsbedingung mit weiteren Produktionsmitteln zusammenbringt sowie mit der ‚lebendigen Arbeit’. Diesem entspringt ein Produkt, welches vom Bodenpächter auf den Markt geworfen eine Geldsumme zurück spült.
Doch da passiert es wieder! In seiner Verzwicktheit verdunkelt sich für den Bodeneigentümer der Bezug zur ‚lebendigen Arbeit‘. So glaubt er, das ‚Pachtgeld‘ (‚Grundrente’) entspränge dem Boden selbst. Und wie sieht dasselbe aus der Perspektive des Bodenpächters aus? Diesem erscheint das ‚Pachtgeld’ als Abzug vom ‚Profit’. Doch scheinen sich beide in einem einig: Die ‚Grundrente‘ wirkt so als ob sie dem Boden selbst einverleibt sei. Realität gewordene Imagination. Die ursächliche Quelle des ‚Pachtgelds‘ – die ‚lebendige Arbeit‘ erneut verschüttet, kaum noch sichtbar.
Alle diese real existierenden Gestalten der Grundrente („Pachtgeld“, „Mietzins“, „Bodenpreis“ usw.) – all dies beschreibt jedoch – nach Marx – nicht die ursächliche Quelle der ‚Grundrente’. Diese ist nicht Abzug vom Profit, nicht ‚Zins’ – sondern Teil des Profits, angeeigneter Mehrwert-Anteil. Sie ist die Fähigkeit des Bodeneigentümers einen Teil des wachsenden Mehrwerts (= ‚Mehrarbeit’ = Teil der ‚lebendigen Arbeit’) abzufangen, ohne sein Zutun. Allein vermittels seines Monopols über eine bestimmte Proportion des Erdballs. Die ‚Grundrente’ erscheint damit für den Bodeneigentümer tatsächliche Einkommensquelle, deren Zusammenhang zur ‚lebendigen Arbeit‘ nicht mehr erkennbar ist. Sie wirkt dem Boden ‚naturgegeben’.
Marx schreibt hierzu: „Vom Standpunkt einer höheren ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigentum einzelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen wie das Privateigentum eines Menschen an einem andern Menschen. Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias <gute Familienväter> den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.“ (3. Band/S. 784)