Grundsätzliches: Zwei Perspektiven auf Dasselbe

Animiert durch eine befreundete, arbeitswütige Sozialpädagogin, las ich mich vor einigen Jahren durch den Bücher-Meter einer (ursprünglich amerikanischen) Therapie-Schule, die mich seitdem nicht mehr loslässt – und die fast „jüngerhafte“ Züge in mir entfachte – die sogenannten radikale „lösungsfokussierte“ Schule im Unterschied zur mehr „problem-lösungsorientierten“, systemischen Schule als auch  zur faszinierenden psychoanalytischen Schule.

Entwickelt und vertreten wurde und wird die lösungsfokussierte Schule durch Steve de Shazer, Kim Soon Berg, Therese Steiner, Peter DeJong, Yvonne Dolan u.v.a.

Was mich hier unverändert fasziniert ist die unerbittlich-kooperative Art der Beziehung zwischen Therapeut und Klient, das originelle Repertoire an Fragetechniken und die verblüffenden, oft paradoxen Lösungsansätze für die sogenannten „beklagenswerten Zustände“ des Klienten, die er selbst definiert.

Verkürzt gesagt ist der Ausgangspunkt der „Lösungsfokussierten“ doppelt:

Zum einen begegnen sich im klassischen Therapeut-Klient-Verhältnis hier zwei gleichwertige Experten auf Augenhöhe. Der Klient als Experte seines eigenen Lebens und der Therapeut als Experte für Fragen, die er gemeinsam mit dem Klienten bearbeitet. Fragen, die den „Klienten“ in die Lage versetzen, für sich Antworten zu finden für seinen „beklagenswürdigen Zustand“ sowie Lösungspotentiale anzuzapfen, welche er als angemessen empfindet. Lösungspotentiale, welche er außerhalb des therapeutischen Rahmens in selbstbestimmten Handlungen auf ihre Brauchbarkeit hin testet und durchspielt.

Zum anderen gehen die „Lösungsfokussierten“ davon aus, dass man den „beklagenswerten Zustand“ aus zwei Perspektiven anschauen kann: Vom „Wurst“-Ende des Problems aus und vom „Wurst“-Ende der (noch nicht gefundenen) Lösung. Dieser Perspektiv-Unterschied hat enorme Konsequenzen auf die Art und Weise des Wahrnehmens und Beschreibens, des Fragens und Nachdenkens der Beteiligten. Vertiefe ich mich in Studien, Erklärungen und Kausal-Beschreibungen des „beklagenswerten Zustandes“ als Problem? Oder ignoriere ich konsequent jegliche Problembeschreibung – und begebe mich sofort auf die Suche nach Lösungsansätzen?

Eine zunächst abschreckende Herangehensweise, hat man doch sein Problem irgendwie „lieb“ gewonnen und selbst schon – oft mit eloquenter Unterstützung anderer – ausführlich ausgedeutet… Nun, allein schon die Definition des tatsächlich „beklagenswerten Zustandes“  ist aus der Perspektive der „Lösungsfokussierten“ oft verblüffend und faszinierend…

Der Spielcharakter dieses Ansatzes rückt das Ganze in ein erfrischendes Auffassen von Story-Kernen.