Georg Seeßlen entdeckt den „nomadischen Film“

Georg Seeßlen: Offensiv Experimentell (30 Keynotes)

„Eine andere Reaktion aber ist es, dieser marktkonformen Dynamik des Filmischen eine künstlerische und soziale Konzeption des sich wandelnden Films entgegenzusetzen. Das Bewegtbild muss Formen finden, nicht einfach präsentiert zu werden, in bestimmten Räumen und unter bestimmten Bedingen präsentiert zu werden, sondern auch auf seine Umwelt zu reagieren. Filmkunst und Kunstfilm haben die neuen technologischen Möglichkeiten der Bewegtbilder bislang entweder elitär ignoriert oder in einem eher formal experimentellen Kontext erprobt. Nun wird es Zeit, aus Filmen nicht nur ästhetisch sondern auch sozial offene Kunstwerke zu machen.“ (6)

„Nicht die Quantität des Publikums ist entscheidend, sondern seine „Bewegtheit“. Ein einziger bewegter Zuschauer wiegt mehr als einhundert Tausend unbeweglich gemachte Zuschauer.“ (12)

„Ein nomadischer Film finanziert sich, während er entsteht, er entsteht vor aller Augen, und er ist nicht „fertig“. Er finanziert sich durch die Spuren, die er in der Öffentlichkeit hinterlässt, nicht durch einen Finanzierungsplan, nicht durch das quantifizierte Publikum. Er ist das Kunstwerk, das unter der Beteiligung seiner Adressaten entsteht, es durchquert verschiedene, auch widersprüchliche Räume. Er sammelt in seiner Entstehung Geld ein, wie es ein Gaukler bei seinen Auftritten tut, und er sondert Elemente ab, die sich auf diversen Märkten und Gegen-Märkten realisieren.“ (13)

„Jeder Kunstraum muss dem nomadischen Film geöffnet sein. Ebenso jeder Diskurs-Raum von Kritik und Wissenschaft. Die Filmwissenschaft in Deutschland arbeitet zu viel in die Vergangenheit hinein und viel zu wenig in die Zukunft. Die entsprechenden Segmente sollen nicht nur über die Zukunft des Bewegtbildes nachdenken, sondern auch eine Abspielstätte, eine „Etappe“ werden. Was einst studentische Filmclubs waren, könnten für den nomadischen Film „Oasen“ werden für das Experiment neuer Produktions- und Distributionsweisen, für die Begegnung von Kunst und Theorie. (19)

„Die Künstler müssen aufhören, sich nur in ihren jeweiligen Szenen und politischen Ökonomien zu bewegen (…) sie müssen erkennen, dass sie ein gemeinsames Projekt haben: Die Rückkehr zu ihren eigentlichen Adressaten, die Rückkehr aus den ökonomischen in die politischen Räume, die Rückkehr der Kunst in den öffentlichen Raum. Die Rückkehr der Kunst vom Markt in die Gesellschaft! (24)

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