„Arbeit. Heimat. Opel.“ – Konservatismus im Dokfilm

Es geht um eine Gruppe Auserwählter, junge Männer zwischen 16 und 19, Azubis bei Opel Bochum, künftige Industriemechaniker. Sechs von ihnen werden genauer porträtiert. Und ihr Ausbilder, ein schlanker, sportlicher Mann (ca. 50); wir erfahren, er lebt allein. Eine hermetische Situation, formal unerbittlich: Das  Werk wird nie verlassen, Ausbildungsraum, Raucherinsel, Pausenraum, der ‘Hochsitz’ des Ausbilders (ein Büro mit großer Sichtscheibe). Ein Kammerspiel zwischen dem Ausbilder und seinen Schützlingen. Von draußen, übers ARD-Fernsehen, schießen Nachrichten ein, über das Tauziehen um Opel, deren „Mutter“ General Motors ist. „Sie stehen am Anfang eines Arbeitslebens, dessen Zukunft bereits ungewiss ist“, schreiben die beiden Regisseure Ulrike Franke und Michael Loeken. Als Auftakt formulieren die Jungs ihre eigenen Werte und Ziele. Wir kennen das von uns selbst, so etwa: Einfach nur glücklich sein. Arbeit haben, Familie gründen, ein eigenes Haus. Beruflich weiterkommen. Soweit so gut. Das ist das Spielbrett – und die Figuren.

Was ich wahrnehme, mit zunehmender Erzähldauer: Hier wird ein „Werte-Transfer“ (nennen wir es mal so) verhandelt. Der Ausbilder vermittelt seinen Jungs, worum es geht, wenn man mittels und in dieser Form der Arbeit (Erwerbsarbeit) seine Ziele erreichen will. Ich bemerke die leise Freude des Ausbilders am „Schleifen“ der Jungs, lange Leine, kurze Leine, Wechsel von Lob und Anranzer. Das lustvolle Frotzeln, auch weil die Kamera da ist. Zunächst empfinde ich Vergnügen, doch allmählich stellt sich bei mir Beklemmung ein. Ich stutze, was der Ausbilder mit seinen Schützlingen macht. Mit fällt auf, er fokussiert weniger darauf, was diesen wichtig ist, sondern darauf, was sie können müssen – und weniger darauf, was sie schon können, sondern mehr darauf, was sie noch nicht können. Kleine Unterschiede, die einen großen machen. Ich spüre seine Sympathien, er hat ‘Lieblinge’ und ‘Problemkinder’ (denen er aber immer ‘eine Chance geben will’). Ich sehe seinen Groll, offnen Ärger. Vom Beschreiben seiner Jungs tritt der Ausbilder ein in das rutschige Reich der Bewertungen und Urteile, schließlich gar in das der Behauptungen und Unterstellungen, denen sich diese mitunter hilflos ausgeliefert sehen. Schon lange interessiert mich nicht, was da draußen verhandelt wird, Opel, GM… Ist mir egal geworden. Der Verdacht stellt sich ein, ist den Regisseuren vor lauter Politik hier was entgangen?

Im Filmgespräch loben manche Zuschauer den Ausbilder, endlich mal einer, der sich für die Jungs ins Zeug legt (stimmt!). Die sind ja von zuhause her verwöhnt und konsumverstopft, hier müssen sie lernen, pünktlich zu sein, ausdauernd, Frustrationstoleranz… Wozu zum Teufel, denke ich, wozu müssen die das? Die Jungs sind hier Objekte von ‘Werten’ einer Gesellschaft, die gerade zerfällt. Und dieser Dokumentarfilm deckt sie grandios auf! Die Regisseure teilen das Lob des Ausbilders. Der Film hat seine Regisseure irgendwie überholt, denke ich…